Ausgearbeitet 1992 von Wolfram Däumel für die Fahrgastinitiative Berlin: Plädoyer für die Straßenbahn
Fahrgastinitiative Berlin

Stellungnahme: Sanierung der Oberbaumbrücke

Scan des Tagesspiegelkommentars vom 01.09.1992 zur Straßenbahn über die Oberbaumbrücke.
Quelle: Der Tagesspiegel vom 01.09.1992
Foto: Demonstration mit Lauf-Straßenbahn.
Demonstration für die Straßenbahnverlängerung und gegen die Öffnung der Oberbaumbrücke für den motorisierten Individualverkehr.

Die Verkehrsverwaltung hat kompromißlos entschieden, daß die Oberbaumbrücke ohne den Wiedereinbau der Straßenbahn als leistungsfähige Straßenverbindung für den motorisierten Individualverkehr (MIV) ausgebaut wird. Die Bauarbeiten beginnen in Kürze.

Die Grünen/AL hatten 1991 im Berliner Abgeordnetenhaus beantragt, das Planfeststellungsverfahren zur Straßenbahnverlängerung über die Oberbaumbrücke einzuleiten. Daraus wurde mit den Stimmen der SPD- und CDU-Fraktion ein allgemein gehaltener Antrag gemacht, in dem Vorschläge und Termimne für Straßenbahnverlängerungen gefordert werden. Das Tramkonzept der Verkehrsverwaltung vom November 1991 sieht aber keine Tram auf der Oberbaumbrücke vor. Die Annahme des AL-Antrages in dieser Form bedeutet in der Konsequenz also nichts anderes, als die Ablehnung der Straßenbahnverlängerung über die Oberbaumbrücke.

Verkehrssenator Haase schiebt den Termin für die in dem Antrag geforderten Realisierungsvorschläge hinaus. Währenddessen werden bereits vollendete Tatsachen an der Oberbaumbrücke geschaffen. Eine Korrektur dieser Fehlentscheidung muß also schleunigst herbeigeführt werden!

Das Argument der Verkehrsverwaltung, es handele sich um Parallelverkehr zur U-Bahn, ist nicht haltbar. Die kurze Parallelführung ist durch die notwendige gemeinsame Spreeüberquerung bedingt. Die Tram verbindet den inneren (Linie 4) und den äußeren Straßenbahnring (Linie 3) mit dem Hermannplatz. Es muß in Zukunft mit enorm hohen Fahrgastzahlen auf diesem Abschnitt gerechnet werden. Wird auf die Tram verzichtet, bedeutet dies zusätzliches zweimaliges Umsteigen auf einer knapp 3km langen Strecke und zusätzliche Fahrgäste in schon heute überfüllten U-Bahnen. Des weiteren ist auf Kreuzberger Seite ein Ausgangspunkt zur Netzentwicklung über die Köpenicker Straße in Richtung Mitte (Potsdamer Platz) und über die Schlesische Straße in Richtung Treptow/Neukölln notwendig (näheres siehe Tra(u)mstadt Berlin Seite 48ff [1] und BVG -Tram-Konzept Seite 32, 33). [2] ).

Des weiteren möchten wir auf folgende Fakten hinweisen:

  • Die Kreuzberger und die Friedrichshainer BVV haben in entsprechenden Beschlüssen ihrem Willen Ausdruck gegeben, die Straßenbahn auf der Oberbaumbrücke wieder einzubauen.
  • Die BVG sieht ebenfalls die Notwendigkeit der Tram und hat sich bei der Verkehrsverwaltung (leider erfolglos) für diese Linienverlängerung eingesetzt.
  • Der Denkmalschutz hat keine Einwände gegen den Wiedereinbau der Straßenbahn. Das Brückenbauamt sieht keine technischen Probleme. Bei entsprechendem Auftrag ist jede denkbare Variante möglich (Seitenlage, Mittellage der Trasse). Damit wird die Aussage der Verkehrs verwaltung (in einem Schreiben an einen Anwohner), die Brücke könne die Tram nicht tragen, widerlegt.
  • Von der BVG in Auftrag gegebene städtebauliche Gutachten zur Straßenbahnverlängerung über die Oberbaumbrücke werden von der Verkehrsverwaltung zurückgehalten. So ist dem Bezirksamt Kreuzberg die Existenz dieser Gutachten nicht bekannt, obwohl das Bezirksamt einen eigenen Plan zum Wiedereinbau der Tram ausgearbeitet hat, wozu diese Gutachten sicher hilfreich gewesen wären.

Wir meinen, Vorrang für den ÖPNV bedeutet nicht, dort wo genügend Platz ist, den ÖPNV parallel zum MIV auszubauen, sondern gerade dort, wo es eng ist, die für einen leistungsfähigen ÖPNV benötigten Flächen zur Verfügung zu stellen. Leider bekommt immer noch der Autoverkehr in solchen Konfliktfällen den Vorrang - im Falle der Oberbaumbrücke durch den Verzicht auf den Wiedereinbau der Straßenbahn.