Wolfram Däumel, Berlin 2017, Bürgerbeteiligung Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee in Berlin Neukölln
Bemerkungen zur aktuellen Radroutenplanung

Verkehrsmengenproblematik

Verkehrsberuhigende Maßnahmen

Zur Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten wurde in Berlin versucht, mit Fahrbahnverengungen und Fahrbahnverschwenkungen die Geschwindigkeitsübertretungen in den Griff zu bekommen. Als Alternative wurden verschiedene Arten von Schwellen eingesetzt.
Bei genauer Beobachtung solcher Stellen ist zu erkennen, dass der kurzzeitigen Temporeduzierung eine deutlich gesteigerte Gefährdung Radfahrender entgegen steht. Dies ist vor allem durch die Abnahme der Überholabstände bedingt, die überproportional zur Geschwindigkeitsreduzierung kleiner werden.

Solche Einbauten sind nicht mehr zeitgemäß. Verkehrslenkende Maßnahmen zur Reduzierung des Kfz-Aufkommens auf Fahrradrouten und eine elektronische Geschwidigkeitsüberwachung entsprächen eher dem Stand der Technik.

Beispiel Fahrbahnverlauf Maybachufer

Dieses Video zeigt die Sicherheitsprobleme an den Fahrbahnverschwenkungen und der trichterförmigen Einengung der Fahrbahn am Maybachufer.

Die Fahrbahnverschwenkungen am Maybachufer haben sich nicht bewährt. Zwar gehen die gefahrenen Geschwindigkeiten zurück, aber die Unübersichtlichkeit und die Tendenz zu gefährlich kleinen Überholabständen haben drastisch zugenommen. Für die Verkehrssicherheit ergibt sich somit eine negative Bilanz. Nach 10 Jahren Erfahrung muss man feststellen, dass die Verkehrsberuhigung nicht so wie erwartet funktioniert:

  • Radfahrende werden auch in den Engstellen mit nur wenigen Zentimetern Abstand überholt,
  • Radfahrende werden kurz vor einer Engstellestelle überholt, das Kfz zieht dann nach rechts, schneidet dabei die Radfahrenden und bremst sie bei Gegenverkehr aus,
  • Radfahrenden wird am Ende einer Verschwenkung quasi der Weg abgeschnitten, sie müssen eine Kurve direkt vor das überholende Kfz fahren um nicht den Bordstein zu berühren.

In der Ausstellung "Der Reuterkiez aus der Sicht älterer Menschen" [12] wurde 2015 die Problematik wie folgt beschrieben:

"Insgesamt zeigte sich, dass die beteiligten Senior/innen ein großes Bedürfnis nach Sicherheit im Straßenverkehr haben. Viele von ihnen fühlen sich durch schnell vorbeirasende Radfahrer/innen auf den Bürgersteigen massiv beeinträchtigt. Senior/innen können meist nicht so schnell ausweichen, und Stürze können für sie existentielle Folgen haben. Als besonders störend empfinden sie vor allem das Radfahren auf den Uferwegen entlang des Kanals. Die Zunahme des Fahrradverkehrs insgesamt und insbesondere der große Mangel von Radwegen im Reuterkiez verschärfen den Nutzungskonflikt zwischen Fußgängern und Radfahrern. (...)

Einige der Senior/innen sind selbst noch viel mit dem Fahrrad unterwegs. Sie bemängeln, dass es außer in der Weser- und der Pannierstraße kaum Radwege im Reuterkiez gibt. Die meisten Straßen im Kiez sind kopfsteingepflastert und daher für Radfahrer/innen quasi unbenutzbar. Die Umgestaltung des Maybachufers vor knapp zehn Jahren brachte Verbesserungen, der Grad der damals eingerichteten Verschwenkungen erweist sich für Radfahrer/innen als gefährlich. Das alles führt dazu, dass sie oft auf die Bürgersteige ausweichen.
Ein Ausbau der Radwege im Reuterkiez würde die Situation entschärfen. Die AG Wohnumfeld des Quartiersrats im QM Reuterplatz setzt sich seit langem für einen Radweg entlang der Reuter- oder der Friedelstraße ein."

Beispiele für Schwellen und Kissen

Das Dilemma aller solchen Einbauten ist, dass die Gefahren für den Radverkehr die Vorteile der Geschwindigkeitsreduzierung überwiegen. Hinzu kommt, dass diese Einbauten keinen Effekt für die ganze Strecke haben. Statt dessen kommt es zu starken Brems- und Beschleunigungsmanövern, die das Verkehrsgeschehen für die anderen am Verkehr Teilnehmenden unübersichtlicher machen.

Im Falle von Schwellen oder Aufpflasterungen über die gesamte Fahrbahnbreite ist festzustellen, dass diese von Kfz wesentlich schneller überfahren werden als von Radfahrenden. Dies liegt daran, dass der Aufwärtsbewegung bei Kfz eine sehr viel größere Masse als bei Fahrrädern gegenübersteht. Der Stoß wird mittels Federung und Stoßdämpfung abgefangen, während bei Fahrrädern gar keine oder nur eine geringe Federung vorhanden ist und die Stöße in erster Linie über die Wirbelsäule und die Handgelenke abgefangen werden müssen. Für Kinder in Kindersitzen oder Lastenrädern ist auch die langsame Fahrt bei steilen Schwellen eine Tortur. Hinzu kommt, dass bei schräger Anfahrt der Schwelle (z.B. wegen Zweite-Reihe-Parkern) auch eine Längskraft auf den Lenker wirkt, die ebenfalls abgefangen werden muss. Für ungeübte Radfahrende ist das eine nicht zu unterschätzende Gefahr, insbesondere, da an dieser Stelle dann oftmals sehr dicht überholt wird.

Daher wurden solche Schwellen oder Aufpflasterungen an vielen Stellen nur über den mittleren Teil der Fahrbahn eingebaut, so dass Radfahrende an der Seite vorbei fahren können. Bei solchen Lösungen ist immer wieder zu beobachten, dass Kfz plötzlich nach rechts ziehen, um das Hindernis nur mit zwei Rädern überfahren zu müssen. Dabei bringen sie Radfahrende in Bedrängnis, die sie gerade überholen. Je mehr Kfz-Verkehr auf einer solcherart verkehrsberuhigten Strecke unterwegs ist, desto öfter treten solche Gefahrensituationen auf. Daher darf auf Fahrradrouten eine solche Geschwindigkeitsbremse nur in Zusammenhang mit einer Verkehrslenkung an besonders kritischen Stellen, wie Schulen oder Kindergärten eingebaut werden.