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Gerd Däumel, erschienen in "DAS GARTENAMT", Heft 8 und 9/1972
GEISENHEIM 1872—1972
Hundert Jahre Gartenarchitektur und Landschaftspflege

In einem Bericht über den Lehrgang für Gartenkunst [55] stellt Glogau sein neues Ausbildungskonzept vor: "Soll der Garten ein Wohngarten sein, so muß er den Erfordernissen des Lebens dienen. Gebt dem Garten wieder Nützlichkeitswert und fügt dem Ganzen die künstlerische Form hinzu, dann wird der Garten wieder werden, was er einst zu Urgroßvaterzeiten war, der liebste Raum der Wohnung, der deutsche Wohngarten." In den Grundlagen der Gartenkunst werden zunächst die Elemente der Gartenkunst erläutert und dann die verschiedenen Arten und Formen von Gärten, vom kleinen Vorgarten bis zum umfangreichen Park, vorgestellt. Sondergärten, Rosen-, Stauden- und Blumengärten werden gesondert besprochen. Fragen der Bepflanzung spielen eine große Rolle, weil der Hauptwerkstoff des Gartens die Pflanzenwelt ist. Beim Planzeichnen komme es auf eine Vereinfachung der Zeichentechnik an. Man solle von den Miniaturgemälden der Landschaft zu knappen Signaturen in einfacher Schwarzweiß-Technik kommen. Das Kolorieren wird nur für notwenig erachtet, wenn man die Pläne für Laien verständlich machen muß. Der Zukunft aber gehöre die Perspektive, deren Einübung möglichst schon im 1. Semester beginnen sollte. Glogau stand damit ganz im Banne der Gartenpläne und Zeichnungen Friedrich Bauers und anderer Kollegen des Jugendstils, die ihre Pläne nur als einen einfachen Riß auftrugen, dafür aber immer eine große Anzahl perspektivischer Ansichten beifügten. Zu einem Hausgarten wurden dabei oft 6 bis 8 Perspektiven hergestellt, die die Anlage von allen Seiten zeigten.

Als wichtigstes Unterrichtsfach, das deshalb auch mit acht Wochenstunden angesetzt wird, hat das Entwerfen von Gartenplänen zu gelten. Es bedeutet den Umschlag der Theorie in die Praxis [56]. Eine intensive Zusammenarbeit von Lehrer und Schüler ist dabei unerläßlich, weshalb immer ganze Vormittage oder Nachmittage dafür angesetzt werden sollten. Als Planungsobjekte standen vor dem ersten Weltkriege Hausgärten mit Bepflanzungsplänen und kleine Stadtplätze im Vordergrund. Dann folgten größere Villengärten "mit Terrainschwierigkeiten" und als Abschluß eine öffentliche Anlage, von der auch ein Modell herzustellen war. Im Feldmessen waren verschiedene Aufnahmeverfahren zu üben; vom einfachen Feldmessen ging der Kurs über Nivellieren zu Erdmassenberechnungen im letzten Semester. Wie bisher jeder Dozent für das Fachgebiet legte auch Glogau großen Wert auf die Geschichte der Gartenkunst. Er wußte, vermutlich aus eigener Erfahrung in der Umbruchzeit, daß man verdammt ist, die Fehler der Väter und Großväter zu wiederholen, wenn man sich nicht intensiv mit der geschichtlichen Entwicklung des Faches befaßt. Glogau hatte noch 1907 beim Wettbewerb für eine städtische Anlage in Berlin einen typischen Landschaftsgarten geplant, bei dem nur das Motto: "Die Anlagen dürfen betreten werden!" progressiv war. Im Jahr darauf legte er einen Entwurf für die "Ägidientormasch" in Hannover vor, in dem die moderne Konzeption des späteren Maschsees vorweggenommen ist. Die von ihm vorgeschlagene Literatur zum Studium reicht von Gustav Meyer, über Hüttig und Jäger bis zu Grisebach und Marie-Louise Gothein, damit fürwahr eine weite Spanne der Gartenkunst umfassend.

Die Gartenkunst wird als wichtiger Faktor des neuzeitlichen Städtebaus bezeichnet, weshalb die Gartenkünstler sich mehr als bisher um diesen Fragenkomplex kümmern sollten. Besonders die eminent sozialpolitische Bedeutung des Städtebaus, Fragen der Gesundheit der städtischen Bevölkerung, die hygienische Bedeutung des öffentlichen Grüns, müßten bevorzugt behandelt werden. Auch in der Friedhofskunst müßte man von der Trostlosigkeit und Öde schematisch angelegter Totenäcker wegkommen und den Sinn für die Weihe des Ortes wiederfinden, der unsere letzte Ruhestätte werden sollte. Aber auch die mehr sachlichen Fragen der Friedhofsordnungen, Monopolisierung der Grabpflege und die Gestaltung der Grabdenkmäler sollten im Unterricht behandelt werden. Mit Kunstgeschichte und Geschichte der Architektur schließt der Bericht Glogaus. Leider war es ihm nicht lange vergönnt, diesen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen, denn der Kriegsausbruch entvölkerte Geisenheim von Studenten und Dozenten.

Grafik:
A. Glogau: Skizze zu einem Kleingarten, 1919.

Während der Zeit des ersten Weltkrieges schrieb Glogau Literaturberichte, die in der führenden Fach­zeit­schrift erschie­nen [57]. Dabei betrafen die gesam­melten und kommen­tierten Titel vorwiegend Fragen der Kriegs­gräber, der Gedächt­nismale, die Diskussion um den von Willy Lange vorge­schlagenen "Heldenhain", aber auch den Gedanken der Krieger­heim­stätten. Bereits 1906 war Glogau mit Adolf Damaschke, dem Begründer und rührigen Verfechter der Boden­reform, bekannt geworden. Er wurde dessen eifriger Mit­streiter und vertrat auf vielen Tagungen und Versam­mlungen, zu­sammen mit Damaschke, besonders den gärt­nerischen Teil von dessen Sied­lungs­gedan­ken. Erste Ergeb­nisse dieser Tätig­keit waren dann die Grün­dung des Krieger­heim­stätten-Aus­schusses, mit dem erklärten Ziel, jedem aus dem Krieg Heim­kehrenden den Besitz eines Eigen­heimes mit Garten als "Dank der Nation" zu ver­schaffen. Als der Krieg verloren ging war an eine so groß­zügige Gabe nicht mehr zu denken und man war gezwungen, sich mit viel Geringerem zufrieden zu geben: Das war der Klein­garten. Unter dem Zwang der Nahrungs­mittel­beschaffung waren viele Garten­besitzer dazu übergegangen, ihren schönen Gärten Nutz­beete anzufügen. Zugleich stieg die Zahl der bisher verhältnis­mäßig wenig beachteten Klein­gärtner beträcht­lich an. Als Rat­geber für alle jene, die sich Garten­land gekauft oder gepachtet hatten und die nun versuchten, sich von der Zuteilung durch den Handel unab­hängiger zu machen, schrieb Glogau sein "Garten­buch" [58], das 1920 in erster Auflage herauskam. Im ersten Teil werden die Schönheits­werte des Gartens abgehandelt, in einem besonderen Kapitel die Klein­garten­siedlung und im zweiten Teil die Nutzwerte des Gartens, besonders der Gemüse- und Obstgarten.

Im gleichen Jahr kommt es zu einem Disziplinarverfahren gegen Glogau, mit einer Dienst-Suspendierung vom 17.4.1920 bis 30.3.1921. Anlaß und Gegenstand des Verfahrens sind angeblich abfällige Äußerungen über den Direktor der Anstalt zwei Gartenarbeitern gegenüber. Im Verlauf des Verfahrens ergeben sich erhebliche Bedenken an der Glaubwürdigkeit der Zeugen, von denen einer einschlägig vorbestraft war, der andere unter dem Einfluß des Geheimrats Wortmann stand. Außerdem bekunden alle im Verfahren vernommenen Kollegen Glogaus übereinstimmend, "... daß das Verhalten Wortmanns gegenüber Glogau geeignet war, den Letzteren andauernd in hohem Maße zu reizen und zu verbittern" [59]. Das Verfahren wurde in allen Punkten eingestellt. Zur Übernahme der Vorlesungen und Übungen während Glogaus Abwesenheit hatte man wieder Müller-Düren aufgefordert, der es jedoch ablehnte, lediglich Lückenbüßer zu sein, und nur bei einer Festeinstellung den Unterricht übernehmen wollte. Da dies vor Klärung der Angelegenheit nicht möglich war, übernahm für ein Semester der Gartenarchitekt K. Hirsch [60] aus Wiesbaden, ein ehemaliger Geisenheimer, die Vorlesungen.

Während der Abwesenheit Glogaus und der zwangsweise damit verbundenen Einschränkung des Unterrichts in den gestalterischen Fächern wurde im Kuratorium über die Verminderung dieses Unterrichts, ja sogar über dessen Eliminierung und über entsprechende Entschlüsse diskutiert. Zunächst kam der Vorschlag, den Unterricht in Gartengestaltung nur an einer der drei staatlichen Lehranstalten, "naturgemäß wohl in Dahlem", zu vereinigen und dafür in Geisenheim den Gemüsebau als eigenes Fachgebiet aufzubauen. In einer Kuratoriumssitzung vom 18.5.1920 wurde dann vorgeschlagen, den gartenbaulichen Unterricht wieder genauso durchzuführen, wie dies vor Einrichtung des Lehrganges für Gartenkunst, also vor 1913, üblich war. Gartenbaudirektor Glindemann sollte ersucht werden, diesen Unterricht, den er früher mit Erfolg gegeben habe, wieder zu übernehmen, wozu dieser sich auch bereit erklärte. Um Herrn Glindemann andererseits zu entlasten, sollte Glogaus Stelle einem Fachlehrer für Gemüsebau vorbehalten werden, der zugleich als Betriebsleiter fungieren könnte. Die Rehabilitierung Glogaus vereitelte zwar diese Entwicklung, es war jedoch unvermeidlich, daß es infolge dieser Vorgänge später zu schweren Spannungen zwischen Glogau und seinen Kollegen vom Gartenbau kommen mußte. In seiner Sitzung Mitte 1922 beschloß das Kuratorium auf Vorschlag Hoemanns zunächst folgende neue Fächerverteilung: Glindemann erteilt Unterricht in Feldmessen, Gehölzkunde und Gehölzzucht, Staudenanzucht und Gartentechnik im ersten Studienjahr. Glogau erteilt Unterricht in Gartentechnik im zweiten Studienjahr, weiter in Gartengestaltung, Planzeichnen und Staudenverwendung. Die Unterhaltung des Parks und der Gewächshäuser bleibt in den Händen Glindemanns. Als dann am 1.4.1923 der Lehranstalt Park und Obstgärten der Eduard-von-Lade-Stiftung zur Bewirtschaftung übergeben wurden, bekam Glogau den Park Monrepos überwiesen, um ihn für die Zwecke der Lehranstalt nutzbar zu machen. Bei der Umgestaltung des Parkes von Monrepos, der sich in einem ausgesprochen desolaten Zustand befand, hatte Glogau den Plan entwickelt, vorwiegend Stauden und deren Verwendung in der Anlage vorzuführen. Daraus ergab sich die Möglichkeit, eine Anzahl von Sondergärten vorzuschlagen, die nach und nach entsprechend der Bereitstellung von Mitteln und Arbeitskräften einzurichten wären. Die Ausführung der Arbeiten ging wegen der bescheidenen Mittel nur langsam vor sich. Um 1927 war der östliche Teil des Parkes und die Umgebung des Gebäudes nahezu fertiggestellt. Am südwestlichen Hang begann Glogau Anfang der 30er Jahre mit der Anlage eines Rosengartens. Der weitere westliche Teil sollte einer dendrologischen Sammlung dienen. Die gesamte Anlage war als Lehrgarten für die Studierenden gedacht, denen in unmittelbarer Nachbarschaft kein botanischer Garten und keine sonstige Pflanzensammlung, mit Ausnahme des Anstaltsparks, für ihre Studien zur Verfügung stand.

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